Mit dem durch die VGH-Stiftung geförderten Projekt zur Erschließung der sogenannten C-Akten wurde die Erforschung der Entstehungsgeschichte dieses Bestands weiter fortgeführt.
Den größten Teil des C-Bestands machen die ca. 2.000 Akten unterschiedlichsten Inhalts aus, die im Katalog des Hildesheimer Dombibliothekars und späteren Kardinals Adolf Bertram (1859–1945) als „Handschriften der Beverin’schen Bibliothek. Abtheilung C“ bezeichnet werden.
Über die Herkunft dieser Akten aus dem Besitz des Hildesheimer Historikers Johann Michael Kratz (1807–1885) ließ sich ein enger Zusammenhang mit Teilen des neuzeitlichen Handschriftbestands festmachen, in dem ebenfalls Kratz-Handschriften zu finden sind. Weiterhin gemein ist ihnen, dass sie zuletzt von Bertram Anfang der 1890er Jahre maßgeblich geordnet wurden. Aus diesem Grund wurde in diesem Arbeitsschritt des Projekts der Bestand der Frühneuzeitlichen Handschriften bei den Untersuchungen hinzugezogen. Die Tatsache, dass sich unter den C-Akten Dokumente mit einer solchen Handschriften-Signatur, und unter den Frühneuzeitlichen Handschriften Dokumente mit einer C-Akten-Signatur befinden, verdeutlichte diese Notwendigkeit.
Während im ersten Projektschritt 2017 der Schwerpunkt darauf lag, die einzelnen, zuvor eigenständigen Sammlungen (bspw. aus dem Besitz des Historikers Kratz oder des Archivars Ignaz Zeppenfeld) innerhalb des C-Bestands ausfindig zu machen, lag der Fokus dieses Projektschrittes auf der Analyse der möglichen Quellen für die Bestandteile des C-Bestands, also auf dessen allgemeiner Genese.
Bis zu diesem Projektabschnitt nahm man an, dass Bertram vielmehr nur übernommen und, ohne große Eingriffe vorzunehmen, nur die Makrostruktur sortiert habe. Doch sein Einfluss auf die Teilbestände stellte sich im Laufe der Arbeit als tiefgreifender heraus: Er sortierte grundlegend neu, teilweise sogar den Inhalt der themenorientierten Sammelmappen. Er drückte dem ganzen Material seine Ordnung auf.
Die Einzelteile des C-Bestands entstammen aus verschiedensten vorher angelegten Sammlungen und Archiven, die über unterschiedliche Wege in die Dombibliothek fanden. Es lassen sich beispielsweise Verwaltungsakten aus dem Kloster St. Michael finden (Sign. C 935–980 ), die auf Basis eines Schriftvergleichs mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar aus dem Bestand des Klosters über Bertram in die C-Akten gekommen sind.
Andere Textstücke, wie der Inhalt der aus dem Besitz Zeppenfelds stammenden Mappe C 175, kamen über Umwege zu Kratz und erst dann in die Dombibliothek. Da Kratz Teile seines Privatarchivs schon zu Lebzeiten an die Dombibliothek verkaufte, andere Teile aber erst nach seinem Tod per Testament an die Bibliothek kamen, ist ohne einen genauen Abgleich des Bestands, des Kaufvertrags und des Testaments bisher nicht endgültig klärend zu sagen, zu welchem Zeitpunkt sie den Besitzer das letzte Mal wechselten.
Der Bestand wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch seinen Zwischenstatus als Bibliotheks- und Archivbestand nicht ausreichend aufgearbeitet und auch der breite Zeitraum, den der Bestand abdeckt, rückte ihn nicht in den primären Fokus der Forschung. Hier fanden nur einzelne gezielt ausgesuchte Mappen Verwendung, aber nicht der Bestand als solcher.
Obwohl seit längerer Zeit Aspekte der Materiellen Kultur immer stärker in den Fokus der Wissenschaft rücken fand der C-Bestand bisher hinsichtlich dieser Fragestellung ebenfalls wenig Beachtung in der Fachwelt. So sucht man nun zum Beispiel gezielt nach von bei Büchern wiederverwendetem Papier/Pergament und identifiziert die vorherige Verwendung. Dieser Umstand ermöglichte bei Stichproben den Fund von bspw. einer recycelten Pergamentseite aus einem Inkunabeldruck des Missale Hildensemense von 1499 (GW M24451), womit die Zahl der bekannten erhaltenen Exemplare/Fragmente diees Missale auf insgesamt 27 erhöht werden kann.
Weitere Textfragmente, sowohl mittelalterlicher Handschriften als auch von Frühdrucken, wurden ausgemacht, aber bisher nicht identifiziert.
Im nächsten Schritt ist eine systematische Durchsicht des gesamten Bestands notwendig, um von den Stichprobenaussagen zur Gänze fortzuschreiten und den Bestand einer breiteren Forschung zugänglich machen zu können.