Petrus...
Mathematik war die Leidenschaft von Petrus Heckenberg. Der Hildesheimer verfasste im späten 17. Jahrhundert mehrere mathematische Bücher, von denen jeweils nur noch sehr wenige Exemplare erhalten sind. Zwei seiner Werke, eine Einführung in das Rechnen mit ganzen Zahlen sowie ein Lehrbuch zur Vermessungspraxis, wurden zu diesem einzigartigen Band vereint, den Heckenberg der Dombibliothek Hildesheim geschenkt hat.
...Heckenberg
Als „Mathesis-Liebhaber“ weist er sich als Autor ausdrücklich auf dem Titelblatt seiner „Rechnens- und Messens-Practick“ aus und erspart dem Leser nicht die Mühe, das Erscheinungsjahr aus einer Rechenaufgabe zu ermitteln. Auch seinen Geburtsnamen gibt Heckenberg nicht einfach wieder, sondern latinisiert ihn zu „Lucius Montanus“. Ob er sich dabei lediglich dem zeitgenössischen Trend unter Gebildeten verschreibt oder Repressalien fürchtet, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
Wirken des...
Heckenberg war Geistlicher: Er gehörte dem Hildesheimer Johannisstift an und war als Domvikar vor allem mit der Seelsorge und der Feier der Messe befasst. Die Beschäftigung mit Mathematik war aus der Sicht der Kirche zur Zeit Heckenbergs jedoch alles andere als selbstverständlich. Denn sie galt als Instrument von Physikern, die mit ihrer Hilfe die Welt naturwissenschaftlich erklärten und damit dem Glauben an den einen Schöpfergott zu widersprechen schienen.
...Petrus Heckenberg
Zu Lebzeiten Heckenbergs steckte die Mathematik noch in den Kinderschuhen. Zugleich konnten viele Menschen nicht korrekt oder überhaupt rechnen. Denn die Grundlagen des Faches, die bereits in der Antike vorlagen, waren im mittelalterlichen Europa zu großen Teilen verloren gegangen. Die moderne Mathematik erhielt daher ihre eigentliche Struktur und Form erst im 16. und 17. Jh. Im Vordergrund stand daher praktisches Rechnen, Arithmetik, die im Alltag angewendet werden konnte. Dazu mussten Regeln entwickelt und einheitliche Zeichen vergeben werden.
Praktische...
Die arithmetischen Werke Heckenbergs, die in dem Band vereinigt sind, repräsentieren diesen zeitgenössischen Bedarf. Sie sind als elementare Lehrbücher konzipiert, die ganz auf das Lernen und dessen Anwendung im Alltag zugeschnitten sind. Sie richten sich ganz offensichtlich an den Anfänger, den Schüler, der bestenfalls mit dem Zählen vertraut war. So lernt der Leser beispielsweise, dass die natürlichen Zahlen aus den Ziffern zwischen 0 und 9 gebildet und in einem Zehnersystem geordnet sind.
...Mathematik
Gezeigt wird darüber hinaus, dass und wie die Zahlen beim praktischen, schriftlichen Rechnen aufgeschrieben werden, also Einer zur „Rechten“ und Zehner zur „Lincken“; dass Addition mit dem alltäglichen Gebrauch des Wortes „Und“ gleichzusetzen ist und wie eine Addition buchstäblich zu Papier gebracht wird.
Mathematiker, Geistlicher...
Über Petrus Heckenberg selbst ist nicht viel bekannt. Sicher ist, dass er aus einer protestantischen Familie in Lüneburg stammte und 1648 am Hildesheimer Jesuitenkolleg konvertierte; dort ging er offenbar auch zur Schule. Darüber gibt sein Prämienbuch Auskunft, das besonders gute Schüler der von den Jesuiten geführten Domschule – zu denen Heckenberg offenbar gehörte – als Anreiz erhielten und das einen entsprechenden Widmungseintrag enthält. Neben der Mathematik und seinem geistlichen Beruf übte Heckenberg auch noch die Stelle des Bibliothekars der Dombibliothek aus.
...und Bibliothekar
Heckenberg war der erste, der die Dombibliothek als „öffentliche Bibliothek“ leitete – was er ausdrücklich im Schenkungseintrag des Buches vermerkt, verbunden mit der Bitte an den frommen Leser um Gebetshilfe für den Segen Gottes: „Dieses Buch übergab der öffentlichen Bibliothek zu Hildesheim Petrus Heckenberg, deren erster Bibliothekar. Der fromme Leser möge sagen: Die Seelen der Frommen sollen dank der Gnade Gottes in Frieden ruhen. Amen.“ (Hunc librum Bibliotheca publica Hildesiensi dedit Petrus Heckenberg, primus ejusdem Bibliothecarius. Pius Lector dicat: Fidelium animae per misericordiam Dei reqviescant in pace. Amen)
Heckenberg als...
Dieses Amt verdankte Heckenberg dem Pfarrer Martin Bever aus dem benachbarten Groß Förste. Denn dieser brachte seinen Nachlass in eine Stiftung, die mittellosen katholischen Verwandten ein Studium ermöglichen sollte - dazu zählte auch seine recht umfangreiche Privatbibliothek. Als Träger bestimmte Bever das Hildesheimer Domkapitel und als Testamentsvollstrecker den Domvikar Petrus Heckenberg. Weiterhin verfügte Bever, dass seine Bücher öffentlich zugänglich sein und durch den eigens dafür eingerichteten Kapitalfond weiter ausgebaut werden sollte.
...„erster“ Dombibliothekar
Heckenberg, wahrscheinlich auch mit Bever befreundet, war Vollstrecker all dieser Verfügungen. Nach Bevers Tod 1681 übertrug das Domkapitel die Dombibliothek in Bevers Bücherstiftung, und Heckenberg fungierte als erster Bibliothekar dieser neuen, auch Beverina genannten Stiftungsbibliothek. Seitdem musste jeder Domherr bei seiner Bestellung in Form von Geld oder einem Buch zu deren Gunsten beitragen. Während der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jh. diente Bevers Stiftung erfolgreich als Argument, um die Aufhebung der Dombibliothek zu verhindern, so dass sie als einzige der Kathedralbibliotheken des Reiches ohne Unterbrechung seit ihrer Gründung bis heute existiert.
Heckenbergs...
Auch Heckenberg besaß eine relative große Privatbibliothek. Und wie Bever stiftete er die Sammlung zu Lebzeiten der Beverina – allerdings in mehreren Tranchen und nicht ausschließlich der Bibliothek am Dom (1689), sondern anteilig auch den anderen größeren Hildesheimer Bibliotheken, insbesondere dem Jesuitenkolleg (1695). Weil praktisch alle größeren kirchlichen Hildesheimer Bücherbestände in die Dombibliothek gelangten, dürften sich heute die meisten von Heckenbergs Bänden in deren Magazin befinden.
...Bibliothek
Neben den einschlägigen theologischen Werken besaß Heckenberg eine Reihe mathematischer, physikalischer und geographischer Fachbücher. Sie enthalten in der Regeln den namentlichen, von eigener Hand vorgenommenen Besitzeintrag; in manchen Fällen die Anschaffungskosten oder einen guten Wunsch für den frommen Leser, insbesondere bei den gestifteten Bänden, der in einem moraltheologischen Kompendium etwa lautete: Hunc librum Bibliothecae publicae Hildesiensis dedit Bibliothecarius Petrus Heckenberg, Ecclesiarum Cathedralis Hildesiensis ... canonicus et vicarius. Anno 1689. 9. Julij. Pius Lector dicat: Fidelium animae per misericordiam Die requiescant in pace. Amen.
Heckenbergs...
Viele seiner Bücher ließ Heckenberg in gleicher Weise in mit alaungegerbtem Leder überzogene Pappdeckel binden. Die Rücken waren mit dem Kurztitel beschriftet; für eine mehrbändige Bibelausgabe verwendete er dafür sogar Farbe mit einem Goldanteil.
...Bücher
Dieses Buch wechselte zwischen Heckenberg und Bever mehr als einmal den Besitzer: Der Besitzeintrag Bevers, datiert 1669, ist durchgestrichen; Petrus Heckenberg ist als „Kanoniker von St. Johannis“ eingetragen, ein weiteres Mal Bever, und zwar mit dem Zusatz, dass das Buch als Schenkung zu seinem ursprünglichen Besitzer zurückgekehrt sei. Bei dem Werk handelt es sich um den Thesavrvs Catholicvs von Iodocus Coccius (gest. 1618), ein Kompendium mit Aussagen der Kirchenväter und Synoden zu konfessionellen Streitfragen, das der Jülicher Kanoniker über fast ein Vierteljahrhundert zusammengetragen hatte.
Bildnachweise: © Dombibliothek, © Wikipedia