Häufig ergänzen sich in mittelalterlichen Handschriften der textliche Inhalt und die Illumination der Seiten und es wird in der Miniaturmalerei ein zum Text passendes Bild aufgegriffen. Auf dieser Seite der Medinger Handschrift HS J 27 finden wir, beginnend mit einer großen, vergoldeten Initiale den Psalm 27,1 "Dominus illuminacio mea. et salus mea quem timebo." (Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollte ich fürchten?). Vielleicht absichtlich, vielleicht unabsichtlich, wird dieses schriftliche Bild ergänzt durch einen gemalten Hund, der auf der unteren Kante der Seite entlanggeht. Hunde symbolisieren in der christlichen Kunst häufig Treue, Loyalität, Vertrauen und Hilfe, und sind treue Begleiter von bspw. dem Kirchenvater Hieronymus oder dem Pilgerheiligen St. Rochus.
Doch man darf sich nicht beim Maßstab täuschen lassen: der blaue Teil der Initiale ist keine 5cm hoch, der Hund nur ca. 1,5cm von Pfote bis Stirn.
HS J 27 zählt zu den Medinger Handschriften, benannt nach dem Ort Medingen, wo sich die Nonnen auf die Gestaltung von Andachts- und Gebetbüchern für den persönlichen Gebrauch konzentrierten.
Insgesamt haben sich 43 dieser Handschriften erhalten, von denen die Dombibliothek zwei besitzt. Sie zeichnen sich durch eine hohe künstlerische Qualität aus und sind außerordentlich aufwändig wie abwechslungsreich gestaltet: keines der zahlreichen Bildmotive, Initialen, Schmuckelemente ist identisch; vielfach sind die Lieder und Gebete mit den begleitenden Illustrationen durch übergreifende Schmuck- und Bildelemente wie Spruchbänder oder Noten miteinander verwoben.
2019 wurden die Medinger Handschriften der Dombibliothek für das Projekt "Manuscripts from German speaking lands" digitalisiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: HS J 27 und HS J 29